Heute für euch: Ein Fragment
Nacht.
Nichts als Nacht umspielte seine Augen und so stark er auch versuchte
etwas zu erkennen, alles was er sah war pechschwarze Nacht. An seinen
Hand- und Fußgelenken brannten die Fesseln und der Knebel in seinem
Mund gab einen schalen Geschmack ab. Langsam merkte er, dass seine
Augen verbunden waren und er deswegen nichts sehen konnte. Irgendwo
in seiner Nähe hörte er leises Gemurmel und das Geklapper von
Geschirr. Der Geruch von Essen stieg ihm in die Nase und er musste
unwillkürlich würgen.
Verzweifelt
versuchte er sich zu erinnern, wie er an diesen fremden Ort gekommen
war, doch ihm wollte es beim besten Willen nicht einfallen. Alles was
er noch wusste war, dass er gegen Abend aufbrach um Feuerholz zu
sammeln. Die Erinnerung an die Geschehnisse in der Zwischenzeit wurde
durch eine große Gedächtnislücke ausgetauscht.
Aus
dem Würgen wurde ein zaghaftes Husten und er spürte, wie seine
Magensäfte die Spießeröhre hinaufstiegen. Verzweifelt versuchte er
den Knebel auf dem Boden abzustreifen um nicht an seinem eigenen
Erbrochenen zu ersticken, doch es gelang ihm nicht. Dafür wurden die
anderen Personen im Raum auf ihn aufmerksam.
„Schnell,
nimm ihm den Knebel ab, bevor er uns noch krepiert“, rief eine
Stimme.
Eine
andere murmelte irgendetwas Unverständliches. Er hörte wie Schritte
auf ihn zukamen und kurz darauf wurde ihm nicht gerade sanft der
Knebel entfernt, wobei seine Augenbinde ein wenig verrutschte.
Beinahe dankbar erbrach er sich vor ein Paar braune Lederstiefel.
Fluchend wichen die Stiefel einen Schritt zurück und er konnte eine
einfache Leinenhose erkennen, die in den Stiefeln steckte.
„Jetzt
schau dir mal die Sauerei an“, rief die Leinenhose.
„Maria
wird bald wiederkommen, die wird es aufwischen. Da unser kleiner
Freund jetzt wach ist können wir uns ja mal mit ihm unterhalten“,
antwortete die erste Stimme.
Die
Leinenhose machte einen großen Schritt auf ihn zu, wobei sie penibel
darauf achtete nicht mit dem Erbrochenen in Berührung zu kommen.
Grob wurde er an den Schultern gepackt und durch den Raum geführt,
bis sie in einen zweiten Raum kamen. Dort wurde er mit dem Rücken
zur Tür auf einen Stuhl gesetzt und die Leinenhose entfernte ihm die
Augenbinde. Vorsichtig blinzelte er und sah sich um. Er fand sich in
einem kargen Raum wieder, der in jedem Bauernhaus hätte sein können.
Der Raum hatte keine Fenster und vor ihm stand ein einfacher
Holztisch mit einer Öllampe, die den Raum erhellte. Auf der anderen
Seite des Tisches stand ein weiterer Stuhl, ansonsten war der Raum
leer. Langsam näherten sich Schritte.
„So
mein Freund“, sagte die erste Stimme, „Jetzt wollen wir mal
sehen, wie gerne du dich unterhältst.“
Die
Schritte näherten sich seinem Rücken und umrundeten ihn. Auf dem
Stuhl gegenüber von ihm nahm ein bärtiger Mann mit einer Narbe, die
quer über sein Gesicht verlief, Platz. Interessiert blickte das
Narbengesicht ihm in die Augen und er glaubte eine gewisse
Belustigung in dem Augen von Narbengesicht zu erkennen.
„Du
weißt warum du hier bist?“
Er
ging in seinem Kopf alle seine Verfehlungen durch, doch ihm mochte
nicht so recht in den Sinn kommen, mit was er diese Menschen so
erzürnt haben könnte, dass sie ihn entführen und festhalten.
Zaghaft
schüttelte er den Kopf und über das Narbengesicht zuckte ein kurzes
boshaftes Lächeln.
„Jetzt denk noch einmal scharf nach“, forderte das Narbengesicht ihn auf.
Es schien dem Narbengesicht regelrecht Freude zu bereiten ihn zu
quälen.
„Ich bin mir keiner Schuld bewusst“, krächzte er leise.